Backen: rezeptfreies Frostbrot

Roggenschrot-Brote mit Sauerteig aus dem Handgelenk backen ohne Zutatenabwiegen, klingt recht einfach.
Ists auch. Nach ungefähr neun Jahren regelmäßgen Brotbackens.
Was wird benötigt?
Wasser und Roggenschrot oder -mehl. Mit frisch gemahlenem Korn schmeckt das Brot deutlich aromatischer, wie auch Kaffee aus frisch gemahlenen Bohnen aromatischer ist.
Und warum Frostbrot? Sauerteig backt sich gut im Winter, wenn man es zu Gehen an die Heizung oder den Ofen stellen kann. Im Herbst oder Frühjahr, wenns nicht richtig warm oder nicht richtig kalt ist, kippt der Teig gern mal. 

Sauerteig:
Wenn man regelmäßig den ganzen Sauerteig verbackt, weil man doch wieder vergessen hat, welchen fürs nächste Mal abzuzwacken, beginnt man mit dem Ansetzen des Sauerteigs.
Eine Handvoll Wasser wird mit einer Handvoll (frisch gemahlenem) Roggenschrot oder -mehl in einer Schüssel gründlich vermengt. Dran schnuppern, Geruch merken. Mit passendem Deckel, beides nicht zu klein, stellt man den Teig an einen warmen Ort, z.B. an den Ofen oder auf die Fensterbank über der Heizung. Sehr gut eignet sich auch ein großes Einmachglas mit Gummiring und Schnappverschluss. Hier kann man den Gärvorgang gut beobachten. Nach einem Tag, wenn der Teig Blasen geschlagen hat und zwar mild säuerlich aber immer noch gut riecht, gibt man wieder je eine Handvoll Roggenmehl und eine Handvoll Wasser hinzu und verrührt gründlich. Am Folgenden Tag füttert man um je 2 Handvoll Roggen und Wasser auf und lässt wieder einen Tag stehen. Blasen geschlagen, Geruch und Farbe gut? Gut = rötlich. Nun hat man genügend Sauerteig, um ein Brot zu backen.
Kränkliche Farbe (Richtung gelb-grün), Wassersammlung auf der Oberfläche und unguter Geruch zeigen Fehlgärung an: wegschütten und nochmal von vorn beginnen.

Einen großen Löffel davon abzunehmen und in einem Schraubglas fürs nächste Backen aufzubewahren, verkürzt nicht nur die Auffütterungszeit rabiat, sondern lässt den Teig auch mit jedem mal besser aufgehen.
Dem Teigansatz einen Namen zu geben und ihm ein eigenes Glas zuzuweisen ist zwar albern, hilft aber, sich an ihn zu erinnern. Tatsächlich ist er ja ein Lebewesen, bzw. viele. In Anlehnung an den Hefeteig Hermann fand ich Siegfried sehr passend und originell... schade, nur passend. Auf Siegfried waren viele andere Leute auch schon gekommen. Auch gut.

Roggenschrot-Sauerteigbrot:
Nun gibt man fünf bis sechs Handvoll Roggenmehl hinzu, etwas mehr als die Menge im Sauerteigansatz, 1 EL Salz (ausprobieren) - dazu Kerne, Samen, Kartoffeln, Gewürze und Weißdergeier nach Belieben - alles vermengen, dann erst kommt das Wasser hinzu, das je nach Wassergehalt der weiteren Zutaten variiert. Nach und nach, bei Roggenschrot gern lauwarm, bis ein leicht formbarer minimal klebriger Teig entstanden ist.
Ich gebe eher ein bisschen mehr Wasser hinzu - lieber ein saftiges Brot als ein trockenes. Ellenlanges mühseliges Kneten entfällt, Wirken ebenfalls. Zum Gehen kommt der Teig in eine Schüssel oder ein Gärkörbchen. Als Gefäß eignet sich auch jede Backform, in der der Teig nicht breitläuft, ein Topf bei bemehltem Brot ebenso. Gehzeit grob: über Nacht. Ist aber je nach Mehlart, Aufstellort und Jahreszeit unterschiedlich. Hat der Teig sein Volumen deutlich vergrößert - im Idealfall verdoppelt - kann gebacken werden.
Ganz rustikal backt sichs auf offenem Feuer bzw. in Glut.

Gelinggarantie: gibts garantiert nicht. Im ersten halben Jahr entstanden selbst bei allerganuester Beachtung von Rezepten und Backzeiten meistens Roggensteinbrote. Fürs Brotbacken muss ein Gefühl entwickelt werden, besonders fürs Backen mit Sauerteig. Die Backzeit nach Gefühl zu bemessen, resultiert aber garantiert in einem Brikett. Eine Viertelstunde auf 180°C dann steche ich an und gebe je nach Bedarf nochmal 5 - 10 Minuten zu. (Schwaden - ein Wasserschüsselchen im Ofen -  entfällt bei feuchtem Teig)

Das Brot kommt aus dem Ofen in ein Geschirrtuch zum Ausdampfen wahlweise auf ein professionelles Brotgitter oder auf z. B. vier über Kreuz gelegte Ess-Stäbchen. Beides erfüllt denselben Zweck, nämlich die Belüftung von unten.
Theorie: Brot erst ausgekühlt anschneiden.
Praxis: Das komplette Haus duftet nach Brot, Nase sowie Magen rebellieren und gebieten, das Bot auf der Stelle anzuschneiden, es mit drauf zerlaufender Butter zu versehen und gefällgist vor jedem Biss zu pusten. Gude.
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Viel zu zeitraubend und gar nicht alltagstauglich? Nur, wenn man dem Teig beim gehen zuschaut. Die eigentlichen Handgriffe dazwischen kommen auf rund eine Viertelstunde insgesamt, die sich wunderbar in den Alltag einflechten lassen.