Schustern: Patas de Gallico

Eigentlich heißen sie "Patas de Gallo" (Hahnen- bzw. Krähenfüße) und sind die Langstreckenläufer-Variante der Huaraches, südamerikanischer Lederriemenschuhe, die eine eigene Kunstform bilden.
Heutige Huarache-Sohlen bestehen meist aus metallfreien Auto- oder Motorradreifen. Früher bestanden sie aus mehreren Schichten Leder. Die Schnürung ist je nach Region und Zweck reich verziert und jeder Schuster hat seinen eigenen Stil (den er übrigens beständig weiterentwickelt).
Die Läufervariante ist auf das Notwendigste reduziert. Die Gummisohle wird mit einem einzigen Lederriemen so an den Fuß geschnürt, dass sie wie angegossen sitzt und beim Laufen weder reibt noch verrutscht. Der Riemen ist recht lang und wird mehrere Male um den Knöchel gewickelt, was gar nicht so sehr die Fußgelenke stützt als einfach Vorrat ist, bis der Knoten unter der Sohle durchgelaufen ist. Dann wird ein neuer Knoten gemacht, bis der Riemen aufgebraucht ist.

Neuzeitliche High-Tec-Nachbauten zeigen oft fertig vernähte (also nicht an jedem Punkt anpassbare) Cordura-Riemen, Schnürsenkel oder gar Kunststoffschnallen. Auf all das kann nur jemand kommen, der in den Dingern nicht rennt.
Dass die Urform auf sowas verzichtet, ist nicht der Primitivität von Eingeborenen zuzuschreiben, sondern Absicht. Die Patas weisen diesen Schnickschnack nicht auf, weil er beim tatsächlichen Langstreckenlauf mindestens unnötig und sogar störend ist. Spätestens nach 2 Kilometern Lauf hat auch der hartnäckigste High-Tech-Verfechter fiese Striemen, Blasen oder Scheuerstellen auf den Fußrücken und wird den Kunststoff durch Lederriemen ersetzen (oder Gummiriemen aus Fahrradschlauch).

Schon vor Jahren hatte ich mal Stiefel gefertigt, deren Ledersohlen nach slawischer Art an den Fuß geformt waren (mittels Leisten). Ist das mit einer entsprechenden Presse nur ein Knopfdruck, ists von Hand derart aufwändig, dass dieses Paar Schuhe nicht nur das einzige seiner Art blieb, sondern auch so gut wie nie angezogen wurde - damit ja nix drankommt! Bestell-Anfragen kamen einige, hab sie allesamt ausgeschlagen.

Stiefel mit an den Fuß geformter Ledersohle nach slawischer Art

Eigentlich bin ich halbjähriger Barfußgänger, doch beim Joggen wirds schwierig, da die hiesigen Feldwege entweder gleich geteert oder mit Steinen geschottert sind - und zwar mit extra spitzen, wie ich finde. Selbst abseits der Wege wirds im heimischen Schrott- und Scherbenwald zunehmend gefährlicher für die Füße.

Grund genug, erstens öfter wieder Müll aus dem Wald zu holen und zweitens, endlich mal eigene Huaraches zu machen.
Das ist eigentlich nur eine Sache von 10 Minuten aber auf die Kleinigkeiten kommts an. Die erste Version habe ich aus einem alten Fahrradreifen geschnitten. Ergebnis: Bodengriffigkeit ist super und der schmale Reifen formt sich sogar seitlich richtig schön an den Fuß aber schwitzige Fußsohlen auf Gummi gehen gar nicht! Also doch Ledersohlen.

Erste Version mit Fahrradreifen-Sohlen
Sohlenleder habe ich sowieso in der Werkstatt. Die Position der Löcher für die Schnürung muss am eigenen Fuß nach Wohlfühlen angepasst werden.
Meine "Patas de Gallico" haben eine Ferse, mit der sie für meine Zwecke geeigneter sind und besser an meinen Füßen sitzen als die südamerikanische Grundversion, auch die Schnürung habe ich meinen Zwecken angepasst.

Huaraches mit Ledersohle und Ferse
Die Ledersohlen haben kein Profil, was in Wiesen zur Vorsicht rät und eine vergleichsweise dünne Sohle, durch die man den Untergrund noch recht deutlich fühlt, was genau meiner Absicht entspricht. Im Vergleich zur Gummisohle sind sie um Welten angenehmer am Fuß. Für den Sommer werden Sie keine Gummisohlen erhalten.

4mm starkes Sohlenleder
Um einiges aufwändiger als die Schuhherstellung ist es, das Traben und Rennen auf den Fußballen wieder zu erlernen. Selbst wenn man Barfußgänger und regelmäßiger Turnschuhjogger ist und es langsam angeht, gibt das zu Anfang brutalen Muskelkater, denn die europäischen Waden und Sehnen sind es mal gar nicht gewohnt, den Körper beim Laufen abzufedern.
Die Schuhe nehmen es uns ab.
Hält man aber durch, bemerkt man nach kurzem, dass dieses ursprüngliche Laufen bei weitem energiesparender, lockerer und natürlicher ist. Nach "kurzem" waren in meinem Fall 5 Tage mit täglich 2 Laufrunden á 3-4-5 km mit dem Hund (mit entsprechenden Schnupper- und Markierpausen), wobei ich seit Jahren jogge und im Sommer barfuß gehe.
Als Vorbereitung bin ich beim Joggen in Turnschuhen etappenweise auf den Ballen gelaufen.

Was die Be- oder Entlastung der Wirbelsäule angeht, darf jeder den Physiotherapeuten seines Vertrauens zu Rate ziehen. Die Erfinder jedenfalls rennen seit Jahrhunderten in den Dingern Gebirgsstrecken über 60 Kilometer und es sind sogar 70-jährige Menschen darunter, was mich bezüglich der Wirbelsäulenentlastung bei richtiger Laufweise optimistisch macht.

Die fertigen Patas de Gallico