Noch weiter laufen: 60 km in Patas de Gallico


Laufen für die Gesundheit: schön und gut. 
Ziellose Lauferei, ob hin und zurück, im Kreis oder gar um die Wette, reißt den Herrn Schlittenhundmischling und mich aber nicht gerade vom Hocker.
Seit ein paar Wochen laufen wir  an 2 Tagen pro Woche den Weg zur Arbeit und nach Hause.
Nun wollen wir weiter.

Wie wär's mit einer kleinen Reise?
Das Reiseziel - Freunde, die wir sowieso besuchen wollten - liegt 49km von der Haustür entfernt. 
Da wir's nicht in dem Sinne eilig haben und die Strecke weder schön flach, noch wie bei einem Marathon ausgeschildert ist, peile ich 25km Strecke an, die pro Tag zu schaffen sein sollten.

Dieses Vorhaben führt neben dem Laufen, also barefoot running, noch einige andere in der Vergangenheit erworbene Fertigkeiten zusammen. 
• So sind der wasserdichte Reiserucksack 
• und einige Kleidungsstücke selbst genäht,
• die Patas die Gallico an den Füßen,
• die Ausrüstung besteht aus so wenig ultraprofessionellem wie möglich,
• sondern gezielt aus vorhandener Allzweck-Alltagsausrüstung,
• Basisverpflegung: eine Packung Haferflocken, 1 Packung Kekse, 2 Liter Wasser
• Nahrungsergänzung erfolgt von der Hand in den Mund, es ist Sommer
• gelaufen oder gewandert wird nach Strecke und Laune
• übernachtet wird im Freien ohne Zelt, es ist kein Regen vorhergesagt

Man könnts modegemäß "Halbmarathon-Trailrunning-Survival-Dog-Touring" nennen, auch wenn die Strecke länger als ein Marathon ist. Wir laufen ja in Halbmarathon-Etappen aber nicht auf der Jagd nach einer Bestzeit, sondern aus Freude.

Die Ausrüstung:

















Umfunktioniertes und selbstgemachtes:
• Hundefuttersack: Schlafsackhülle
• Hobo: wie die eigentlich namensgebende Idee aus ner Büchse gemacht
• Löffel: selbst geschnitzt
• Kleidungsnetz: Supermarkt-Gemüsenetz
• Kleinteilebeutelchen: das Gemüsenetzbeutelchen
• Reise-Hundenapf: Universal-Kunststoff-Dippsche

Ausdrückliche "outdoor"-Stücke sind
• die jahrelang verschmähte
   aber ultrapraktische Stirnlampe (usb-ladbar) ~ 25 Öre
• die Schaum-Isomatte ~6 Öre 
   auf mein Körpermaß zurechtgestutzt spart Raum
   absichtlich eine, die niemals Luft verlieren kann
• das Ponchotarp ~50 Öre
• der kleine Kompass ~ 5 Öre
• ein Kletterseil ~ 5 Öre
• der kurzerhand auf grün/braun umgefärbte,
   zuvor leucht-orange Schlafsack  ~ 35 Öre

Die Preise stehen dabei, um zu veranschaulichen, dass es sich nicht um sog. high-end Equipment handelt. Jedes Teil in der Liste ist auch für den doppelten oder dreifachen Preis in "high-end-light-weight-profi"-Ausführung zu haben.
Das gilt unfassbarerweise auch für Instantsuppen, die sich zum 10-fachen Preis erwerben lassen, wenn ein Berg auf der Packung abgebildet ist.

Wegfindung
Die Wegfindung erfolgt offline mittels Gegend kennen, Landmarken, Weg-Erfragen und mit Handy über Bildschirmfotos der zuvor am Rechner erstellten Route. Warum nicht einfach online? Weil online a) zu viel Strom frisst b) in Waldschluchten nutzlos und c) selbst wenn's funktioniert, ein Verlassen darauf trügerisch ist.

Hinreise: erster und zweiter Tag


Wir laufen urlaubs-untypisch direkt an der Haustür los und unser Weg führt uns ostwärts durch bergiges Waldland. Der Wald spendet Schatten und frische Luft, spart dafür aber mit Beschilderung.

Deshalb verlaufen wir uns gleich zweimal um insgesamt frustrierende 8km. Zwar kenn ich mich in der Gegend grob aus aber das hilft mitten im Wald an einer völlig unbeschilderten dreifach-Gabelung gar nix. 
Ein Mobiltelefon zum navigieren kann man sich in unserem Wald schenken: kein Empfang... und wer glaubt, das müsste auch ohne Kompass schon die passende Richtung sein, findet sich gleich 
mal im falschen Ort. Jeder Umweg hat aber meist einen guten 
Erste Rast - qualmende Flossen
Grund und so finden wir beide Male Quellen an den Umwegen, die beim Reisen mit nur 2 Litern Wasser zwingend notwendig anzusteuern sind. Unterwegs finden sich Kirschpflaumen, Himbeeren, Wildkirschen direkt am Wegesrand.
Nach knapp 28 km verlassen wir das Waldland und übernachten auf einer abgemähten Wiese mit malerischem Blick auf die vor uns liegende Strecke.
Zu Abend gibts Haferflocken, Wegrand-Obst und Kekse, den (selbstgebauten) Hobo-kocher werfe ich nicht an. Es ist schlicht zu warm für warmes Essen.

Sonnenaufgangsrundblick
Mit dem Sonnenaufgang um halb sechs wird der Schlafplatz zusammengepackt und in angenehmer morgendlicher Kühle traben wir 22km weit bis 10 Uhr. Das rechnet sich zwar nur zu rund 5km/h zusammen, zieht man aber Pausen zum Navigieren, Weg-erfragen, Wasser finden, Trinken, Essen und Bachbaden ab  - und ganz besonders die Vollbremsungen, die der Herr Hund alle paar Meter vollführt - dürften wir mit rund 10km/h unterwegs gewesen sein. 

Auch im Flachland setze ich nicht auf mobiltelefonisches Navigieren, 
Brombeergelage
denn das schickt einen logischerweise auf der kürzesten errechneten Strecke: direkt entlang der fußweglosen Bundesstraße  - und das,  obwohl 50m entfernt parallel ein Feldweg verläuft. Danke.
Zu Tisch bitten riesige Kulturbrombeeren, die sich selbstständig gemacht haben und am Wegesrand wuchern.
Eine nette Frau ist besonderer Erwähnung wert, nicht nur weil sie unsere Wasservorräte auffüllt und uns den Weg über das und das Dorf empfiehlt, sondern weil sie uns 5 Kilometer weiter mit dem Auto einholt - eine Karte schwenkend - um die Dörfer zu korrigieren, sie hatte uns einen Umweg geschickt. Danke =)

Mittags um 10 sind wir noch 8 km vom Zielort entfernt, genau die 8 Kilometer, die wir gestern zu viel getappt sind. Es wird zunehmend heiß und der restliche Weg bietet kein Fleckchen Schatten mehr. Was tun? Telefonjoker ziehen. Man hat Erbarmen und holt uns ab.

Rückreise: dritter Tag


Um 8 Uhr am nächsten Morgen treten ein äußerst ausgeschlafener Hund (hatte den restlichen Vortag gepennt) und ein mäßig ausgeschlafener Mensch (hatte den restlichen Vortag ...eben Freunde besucht), durch herzlichste Gastfreundschaft und Bewirtung gestärkt, den Heimweg an. 

Auch heute ists erheblich heißer, als vor Reisebeginn vorhergesagt. Die erste halbe Stunde traben wir aber schon im Nachbardorf wird wettergemäßes Wandertempo draus, das wir bis zum späten Nachmittag beibehalten. An rennen ist bei dieser Hitze nicht zu denken. Dementsprechend brauchen wir trotz nun bekannter Strecke und Heimweg-Bonus doppelt so lang für 22km wie gestern. 
Nach 8 Stunden Wanderung mit sehr vielen Bachplansch-Pausen und Schattenrast bei jeder Gelegenheit haben wir die Hälfte des Rückwegs hinter uns gebracht und sind ziemlich platt. Wir stehen vor dem Ortsschild "Langmeil" und ich finde, dass das ein passender Ort ist, die Reise zu beenden. Ein Termin am folgenden Morgen untersagt, die Rückreise zu Fuß abzuschließen. Zu unserer Rettung haben wir einen weiteren Telefonjoker im Ärmel, der die verbleibende Tagesreise binnen einer Stunde zurücklegt und uns einsammelt.

So eine Reise werden wir sicher wieder machen
aber bei geeigneteren Temperaturen.

Der wasserdichte Rucksack, der unseren Krempel auf der Reise fasste, wird einen eigenen Blogeintrag erhalten.