Weben: mit dem Webrahmen


Das Web-Fieber hat mich erwischt! Seit langem geht es mir durch den Sinn, Kleidung nicht nur selbst zu nähen sondern auch die Stoffe dafür selbst zu weben. Klingt nach einem Mammutprojekt und viel Aufwand... aber man kann ja klein anfangen. Mit einem Schulwebrahmen zum Beispiel.

Den habe ich äußerst günstig gebraucht erstanden, ein paar Dörfer weiter, wo er nur verstaubte. Nun kann so ein Schul-Webrahmen mit 50 cm Webbreite aber einiges mehr als man ihm zutraut! Er verfügte bereits über zwei Gatterkämme, einer davon schon recht fein mit 40 "Löchern" pro 10 cm Webbreite. 50 cm Stoffbreite reichen für ziemlich alles an Kleidung/Stoff, das ich herstellen möchte völlig aus.

Mit dem kann ich nun sowohl die selbstgepsonnene Wolle als auch die vielen Wollreste verarbeiten. Mit ein wenig Übung enstehen in überraschend kurzer Zeit - denn weben geht echt fix - kleine farbenfrohe Taschen aus Restwolle und Teppiche/Sitzkissen aus der anfangs noch recht grob selbst geponnenen Wolle.

Baumwollkette aufgezogen und gleich losgewebt!

Mit dem 20/10 Gatterkamm wird die Kette relativ weit, trotzdem ist das Gewebe aus bunter Restwolle schon sehr hübsch und gar nicht grob oder plump. Die erste Restwolltasche habe ich an nur einem Abend gewebt aus Sockenrestwolle, die Kette aus Baumwollgarn, mit dem ich sonst eh nichts anderes anzufangen wusste.
Dies wurde ein schusslastiges Gewebe, das heißt am Ende ist fast nur der Schussfaden - die Restwolle zu sehen, die Kette verschwindet quasi.

Erstes Webstück (seit der Grundschule) fertig und beim Abschneiden

Natürlich waren die Webkanten noch sehr ungleichmäßig und unansehnlich, was sich mit Einfassen derselben in Kantenband komfortabel kaschieren lies.
Eine sogenannte Taillie entstand nicht, so nennt man den Effekt, wenn sich das Webstück aufgrund zu straff gezogenen Schussfadens und zu eng gezogener Webkanten immer enger zusammen zieht und eine Taillie bekommt (klassischer Schulweb-Effekt, mir selbst noch in Erinnerung). Das zu vermeiden helfen zahlreiche Anleitungen und Videos im Netz.

die unsauberen Webkanten verschwinden im Kantenband

fertig ist die erste Gute-Laune-Webtasche, der in diesem Bild noch die Knöpfe fehlen

Der Rahmen kann aber weit mehr, denn er bietet bereits die Möglichkeit, den oberen Kettbaum z.B. am Tischplatten-Ende zu fixieren und so die Kette tischlang zu spannen, dann aufzuwickeln - alleine nicht ganz einfach, da gleichmäßige Spannung beim Aufwickeln gefragt ist - und ein über ein Meter langes Webstück zu fertigen... was ich direkt nach den ersten zwei Testwebtaschen begonnen habe.

Kette über die Tischlänge gespannt
Kette fertig aufgewickelt und aufgebäumt

Gewebe aus relativ grober Dochtwolle verschiedner Rassen in Naturfarben begonnen

Auch der feinere Gatterkamm mit 40/10 kam schon zum Einsatz. Hier beginnt es langsam, aufwendig zu werden, die Kette einzufädeln und zu spannen - fast habe ich beim Kettenspannen die Geduld verloren - aber das Ergebnis kann sich sehen lassen und wiegt die Aufbäumerei auf! 

   
fädeln, fädeln,...
... und fäääääädeln

Zum Glück habe ich in der Zwischenzeit ein Video aus den 70er Jahren über das bäuerliche Leinenweben auf einem 100 Jahre alten Webstuhl geschaut (in dem das Aufbäumen mit ca. 740 Kettfäden allein mehrere Tage dauerte!) Gleich kam mir mein Aufwand eher lächerlich vor...

und endlich losweben... ui, wird das hübsch!

Aus zwei Knäuel Farbwechselsockenwolle, eins als Kette, dasselbe als Schussfaden, entstand ein herrlich bunt kariertes Stoffstück, dass sich bereits durchaus eignet, Kleidung daraus zu nähen... wenn auch die Sockenwolle so ein bisschen kratzig ist. Für eine Hose oder einen Wickelrock geht dieser Stoff aber wohl!

fertiges Gewebe - das ist schon richtiger Stoff... und superhübsch kariert.

Ganz abgesehen davon, dass das Weben mich mit ähnlich viel Freude erfüllt wie Spinnen, holt es mich auch gewaltig auf den Teppich bezüglich dessen was wir so an maschinengewebtem Baumwoll- und Kunstfaser-Feingewebe für ganz gewöhnlich halten und billig kaufen. 

Hier kann man die Fransenenden schon umlegen und vernähen statt sie zu knoten.
Geeignet für ne Punkhose oder nen Schottenrock!

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Fazit:
Vor Jahren war ich in meinem Heimatdorf zur 750-Jahr-Feier schon einmal in einer Maschinenweberei und hatte dort die Entstehung von ca. 2 Meter breitem mehrfarbig gewebtem Tuch bestaunt und konnte einem ca. 80 Jahre alten Herren beim Weben auf einem zimmergroßen ebenfalls 100-jährigem Webstuhl zusehen. Sofort geht einem auf, wie absurd T-Shirts zu 1,99 € sind... also gewusst hat mans vorher schon aber so anfassbar ist es noch krasser.

Solche Dimensionen will ich gar nicht erstreben. Klein aber fein. Mit handlichen 50cm Webbreite kann ich allen benötigten Stoff weben und bin voller Vorfreude auf kommende Projekte aus Restwollgarn und natürlich dem jetzt viel feiner selbst gesponnenen und sogar gezwirnten Garn. In diesen Maßen hält sich auch Zeitaufwand und Nutzen das Gleichgewicht.