Laufen: zweiter Herbst & Winter barfuß

Es wird wieder frisch draußen...
aber das zweite Jahr fühlt sich nicht annähernd so kalt an wie das erste. Auch der erste Schnee war eher erfrischend als klirrend kalt. Regelmäßig bin ich überrascht, wie gut die Füße Temperaturen wegstecken, die mich im vergangenen Jahr in Schuhe getrieben haben.
Dafür war dieser Herbst bisher nicht ganz so sorglos wie der vergangene...


Relationen und Reaktionen:
Doch das erfreuliche zuerst: Gerade in den letzten Tagen sind wir wieder einigen strahlenden Gesichtern begegnet, die sich bei 1°C nach der Erträglichkeit von Nässe und Kälte erkundigt haben und ich kann fröhlich eine weitaus bessere Erträglichkeit als im ersten Winter zur Antwort geben. Sogar so erträglich, dass die Waden nun ebenfalls meistens frei bleiben, denn die Laufhosen habe ich auf 3/4 gekürzt oder trage gleich einen Wickelrock.
Das ausdrücklich eklige Gefühl, auf dem ersten Kilometer auf den blanken Fußknochen zu laufen ist sogar ganz weg und es ist nur noch igittigittigitt-kalt bis die Zehen warm sind.
Beißen, beißen - zack, warm!
Sogar spazieren - ohne zu rennen/traben - geht bis etwa 3° bei Nässe.
Bei Trockenheit sind auch 0°C gehend mittlerweile fast erträglich.

Kein einziges Mal ist mir bisher jemand abweisend begegnet, seitdem ich ohne Schuhe unterwegs bin. Höchstens besorgt aber viel öfter erfreut, interessiert oder staunend, ob im Laden oder auf Feldwegen.
Sogar einige Physioterapeuthen und ein Sportphysiologe - auf einem Berggipfel getroffen - haben sofort eine hervorragend ausgebildete Fuß- und Beinmuskulatur diagnostiziert und wollten Details zur Barfußgängerei und -lauferei wissen. Ungemein bestärkend! Genau wie gar nicht mal so alte Menschen, die sich beim Anblick meiner Füße an ihre Jugend erinnern und daran, damals nie krank gewesen zu sein.

im November noch nicht verwelkt: die Wiesen-Flockenblume
Tägliches kaltes Fußbad, regelmäßige kalte Dusche (ohne warm vorher) und ein gelegentliches Flussbad erfrischen ebenfalls, ohne ein Zwang zu sein. Letzteres lies im November (bei 5°C) eine schockierte Spaziergängerin in langem Steppmantel, Mütze und Handschuhen mit zitterndem Zwergpinscher innehalten und erstaunt nachfragen, als ich in Badesachen aus dem Fluss stieg. Das Wasser war aber gar nicht so irre kalt wie man meinen sollte: Laut dem Laserthermometer 15°C, was mich sehr überrascht hat (wohlweislich erst hinterher gemessen und nicht vorm Reingehen).

Geheizte Räume empfinde ich mittlerweile schnell als zu warm, besonders an den Füßen, die wollen Luft. Zum Arbeiten bin ich (wo es unumgänglich ist) auf Barfußschuhe ohne Einzelzehen umgestiegen. Gerade wenn man nur mal schnell reinschluppt, weitaus praktikabler. Die umgenähten Zehenschuhe sind zwar ungemein stylisch ...aber nach dem ersten Schritt auf feuchten Boden gleich bis innen nass und sie nerven mit der Zehen-Reinfummelei, vor allem wegen der Zehensocken, ohne die es direkt schwitzbäh wird. Sie bleiben trotzdem im Bestand, denn sie sind ja extra umgenäht ...und eben stylisch.

Handschuhe benötige ich nur beim Rollerfahren mit dem Hund wegen des klirrend kalten Fahrtwindes.
Auf die Metallstreben des Scooters kam kurzerhand eine zurechtgeschnittene Gummimatte, denn die blanken Metallstreben sind doch sehr kalt an den Füßen, die ja auf dem Scooter wenig Bewegung haben.
Um die Finger vor dem eisigen Wind auf unserem kleinen Plateau zu schützen, der selbst durch die Motorradhandschuhe kriecht, habe ich Kunststoffblenden am Lenker montiert, die eigentlich von einem Crossmotorrad stammen und den Wind angenehm ausbremsen.

Frischluftschlaf:
Geschlafen wird weiterhin bei jedwedem Wetter unterm Terrassendach an der frischen Luft, die ich nicht mehr missen möchte. Für diesen Herbst und Winter hat sich ab 13°C abwärts eine Kombination aus mittelwarmem Schlafsack (derjenige, der auch auf der Marathonwanderung dabei war) mit den vorhandenen Wolldecken als sehr winddicht und kuschelig erwiesen. Im Hinterkopf habe ich schon parat, dem Fußende das Schlafsacks einen Quer-Reißverschluss hinzuzufügen zum Rausstrecken der Füße, denen der Schlafsack eigentlich zu warm ist.
Letztes Jahr hatte ich den dicken Daunenschlafsack im Einsatz. Der weist aber am Reißverschluss eine unangenehme Kältebrücke auf, die sich trotz von Hand verstärktem überlappendem Wollfilz-Saum nicht ganz beheben lässt und bleibt deshalb im Schrank. Der innere Schweinehund jubelt, dass wir ihn bisher doch nicht von Hand zu waschen brauchten.

Herzerwärmender Anblick im kalten Nebel

Auch der Rücken jubelt: keinerlei Kreuzschmerzen mehr dank matrazenfreier kerzengerader Schlafstätte.

Ein weiterer höchst erfreulicher Anblick im nasskalten Herbstgrau: Unser Steintürmchen auf der Hochebene wurde nach einem Sturm von unbekannten Händen wieder aufgebaut statt umgeworfen!


Selbergewerkte Leibschneiderei:
Auch in diesem Winter kann ich auf einen kleinen aber feinen Bestand selbst gefertigter Kleidung zurückgreifen. Nicht nur der kürzlich beschriebene Merinopulli hält zuverlässig warm ohne schwitzig zu sein, auch der zweite Häkelpulli wärmt Haut und Herz. Diesen habe nochmal um 20 Reihen aufgeribbelt und neu runtergehäkelt, denn das Muster war doch nicht so toll geworden. Ein bisschen nervig aber lohnenswert.
Den Hintern wärmen Cacheurs bzw. Walk-Wickelröcke in einfachster aber zuverlässiger Ausführung. Gehäkelte Mützen, Stulpen, Halswärmer und Handschuhe ergänzen das Ensemble.
Auch ein sturmtauglicher doppelschichtiger Poncho aus Walk ist regelmäßig im Einsatz aber noch nicht ganz fertig. Selbst die restliche, gekaufte Kleidung ist in irgendeiner Weise modifiziert, repariert oder praktifiziert.

Wandel:
Dieser Blog kümmert sich wenig um derzeitige Geschehnisse in unserer hastigen wirtschaftlichen Welt. Doch selbst wenn man auf pfälzisch "unnerm Stää läbt", erreichen einen deren Auswirkungen unausweichlich und stellen einen vor Herausforderungen ...um's mal ganz unbekümmert zu formulieren.
Viele Kunden und Bekannte waren sich sicher, dass meine Branche ja an sich recht krisenfest sei. Scheint so, aber wenn die Branchen der Kundschaft es nicht sind, trifft's über kurz oder lang auch meine. Es half alles nichts, der Entscheidungs-Schweinehund musste überwunden werden. Überraschung: Das ist gar nicht mehr soo schwer, wenn man es täglich mit seinem Kumpel, dem Kaltwasser-Schweinehund aufnimmt.

Dank starker Helfer, Familie, unersetzbarer Freunde, viel Glück und sehr kulanter Vermieter wird die Werkstatt nach bedrohlicher situationsbedingter Auftragsebbe gerade nach Hause verlegt, was sich bisher als unerwartet machbar und sogar komfortabel erweist, nachdem ich es jahrelang für gänzlich unmöglich gehalten hatte. Die einhergehende gründliche Neuordnung und Befreiung von Krempel möchte ich ebenfalls als positiv und nützlich verbuchen.

Radschrauberei:
Trotzdem war es unumgänglich, einen Aushilfsjob anzunehmen. Zu diesem fahre ich ohne Hund mit dem Rad. Einem gebrauchten aber sehr guten Alu-Trekkingrad, das mit ein wenig Öl, Grundreinigung, Räderzentrierung und Einstellung der Gangschaltung fast wie neu ist. Natürlich kann der Selbergewerker nicht umhin, es obendrein mit eh vorhandenen Bauteilen wie Ergolenker und -griffen, fast neuen Bremsbelägen und so weiter zu optimieren. Mit höchst zufriedenstellendem Ergebnis!

Der Arbeitsweg hinzu lässt sich nun komfortabel 2,5 km bergab schnurren und dann entlang des Flusstales radeln. Heimzu sieht's dann am 2,5 km langen Anstieg um 150 Höhenmeter ein bisschen anders aus (was einer Steigung von 6% entspricht).
Aber auch hier eine Überraschung: Vor Jahren, noch ohne Hund und rauchend, hatte ich mich den Berg mal hochgequält und war sicher, dass ich mir das kein zweites Mal antue.

Jetzt erstrample ich ihn echt entspannt - klar, er zieht sich... ganz schön... aber irre steil ist er eigentlich nicht. Nicht mal Muskelkater hat er beschert. Hier hat auch mein vierbeiniger Konditions- und Nerventrainer offensichtlich einiges geleistet!

Alles in Allem erweist sich der Schweinehund - sowohl der innere als auch der scooterziehende - als anspruchsvoller aber lehrreicher Zeitgenosse, der unverhofft Glück bringt.